Tannzapfen-Gewitter und Mädchen-Traube
Tannzapfen-Gewitter und Mädchen-Traube
Es ist heiss hier im wilden Westen. 34 Grad zeigt das Thermometer und da vergeht einem die Lust auf schweisstreibende Aktivitäten oder Städte-Trips in siedenden Strassenschluchten. An den Küsten Südwestfrankreichs haben sich schon früh Nudisten eingerichtet und hier findet man die grössten FKK-Zentren der Welt. Bei diesen Temperaturen nicht das Dümmste und Beat meinte, die hätten inzwischen sogar einen Golfplatz. Du meine Güte, wenn ich mir vorstelle, was da so alles mitschwingt bei der Suche nach dem perfekten Schwung? Pas pour moi!
Aber ein Campingplatz an einem See mit schattenspendenden Pinien, das wär jetzt höchst willkommen. Und siehe da: Camping Le Tedey liegt auf einer Halbinsel am Lac Lacanau und ist die perfekte Wahl!
Wir richteten uns unter Pinien ein, badeten ausgiebig, brutzelten ein Schweinefilet und amüsierten uns beim zweiten Glas Rosé über den französischen Wohnmobil-Nachbarn, der seine Velos für die Nacht mit einer Plastik-Plane zudeckte und fest verschnürte. Ordnung muss offenbar auch bei den französischen Campern sein. Auch wenn der Wetterbericht 4 Tage Dauersonne verspricht.
Vorspeise ...
... Hauptgang
Wir hatten gerade den Abwasch besorgt und den Grill geschruppt, als ein blondgelockter Engel in sehr kurzem Minikleidchen vor uns auftauchte und in glockenhellem Baseldeutsch erklärte, dass sie Würste aber keinen Grill hätten und ob sie evt. mit uns grillieren dürften. Nun denn, man will ja aufgeschlossen und hilfreich sein und der Mann stellte sofort einen weiteren Rosé kalt. Ist doch nett, wenn junge Leute bei uns Anschluss suchen!
Nach 20 Minuten tauchte das magere Engelchen mit ihrem scheuen Begleiter und 12 (!) Würsten auf. Ich meinte, sie müssten aber grossen Hunger haben. "Ja, wir sind ja auch 12 Leute", säuselte das Engelchen. 12 Leute? Wir haben nicht mal vier anständige Stühle. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: die wollten gar nicht mit UNS grillieren, sondern nur mit UNSEREM Grill! Nun denn - wir gaben ihnen das Ding samt Gasflasche mit und gönnten uns dafür noch einen Abendspaziergang und ein weiteres Glas Rosé in der Strandbar. Es roch köstlich nach Grillwürsten. Jungmannschaft zufrieden - Senioren auch zufrieden.
Kaum waren wir im Bett, begann es stark zu winden. Ich fragte den Mann, ob er wirklich sicher sei, dass kein Gewitter aufziehe. „100 Prozent sicher!“, meinte der Mann. Der Wind wurde stärker. Ich fragte nochmals und wollte schon die Badesachen von der Leine holen aber der Mann war sich wirklich sicher: Kein Regen in Sicht!
Der Wind sorgte allerdings dafür, dass viele grosse Pinienzapfen auf unser Wohnwagendach fielen. Ein regelrechtes Tannzapfen-Gewitter entlud sich über meinem Kopf. Ich stopfte also Stöpsel in die Ohren und schlief ein. Ich träumte, unser Nachbar hätte nicht nur seine Velos, sondern das ganze Wohnmobil und den Gartentisch samt Stühlen christo-mässig in orange Riesenhüllen verpackt. Nach einem tiefen, gesunden Schlaf öffnete ich am Morgen sonnen-erwartungsfroh und yogamatten-bewehrt die Wohnwagentüre: alles tropfnass!
Es sei ein ziemliches Gewitter niedergegangen, meinte Herr Bieler, aber als er es gehört hätte, sei eh schon alles nass gewesen. Jetzt hat der Mann doch so viele elektronische Teili, die alles wissen, aber ein Gewitter ist und bleibt halt unberechenbar. Ausser für unseren französischen Nachbarn. Nächstes Mal verlass ich mich auf die Velo-Blachen ...
Abendstimmung am Lac Lacanau
PS: Vor dem Wohnwagen stand unser Grill, sauber geputzt und eine Flasche ungarische „Mädchentraube“, Aroma "lieblich". Wie passend!
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